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Italien, Toskana, Siena

Toskana 2011

Der Februar ist unser Toskanamonat, und das jetzt schon zum elften Mal in den letzten gut 15 Jahren. Auch in diesem Jahr konnten wir in den "Vorpremieren" zwischen Florenz und Montalcino wieder fast 250 Weine für Sie verkosten und bewerten, zum Teil mit ganz außergewöhnlich guten Resultaten. Gelohnt hat es sich dabei vor allem, dass wir rund 50 Weingüter einluden, uns für eine exklusive Probe auch diejenigen ihrer Spitzenweine zu schicken, die nicht bei den offiziellen Events vorgestellt wurden. Darunter waren dann Granaten wie der 2008er Solaia, der wunderschöne Veneroso von Ghizzano, Ornellaia, Bramasole, Nambrot und wie sie alle heißen, die wir Ihnen bei Beschränkung auf das offizielle Programm nicht hätten vorstellen können.

Dass wir am Ende dieses Marathons gleich vier "Traumweine" präsentieren können, ist in unseren Verkostungsreports auch noch nicht allzu oft passiert, und dieses Ergebnis steht in einem denkwürdigen Kontrast zur Krisenstimmung, die in der Toskana derzeit herrscht (wir berichteten und haben diese Fragen auch im großen Interview mit Piero Antinori angesprochen, das demnächst auf ENO WorldWine erscheint)

Bilderbuchregion ohne Zukunft? Auf Siena und den Weingütern in der Umgebung liegen dunkle Schatten (Fotos: E. Supp)

Besonders unter der Krise zu leiden - und zwar in wirtschaftlicher wie qualitativer Hinsicht - scheint dabei der Renommierwein Brunello di Montalcino. Nicht nur, dass es von diesem Wein, der noch vor wenigen Jahren nicht unter 25 Euro verkauft wurde, inzwischen selbst in den Touristenläden von Montalcino Angebote um 10 Euro gibt, auch die Qualitäten sind jetzt schon im fünften Jahr in Folge alles andere als berauschend. Natürlich haben wir bei den diesjährigen Verkostungen den einen oder anderen sehr schönen Brunello gefunden, aber es ist schon bezeichnend - bei aller Vorsicht hinsichtlich der statistischen Auswertung -, dass dieser Wein, dessen Durchschnittsbewertung in unseren Verkostungen bis 2001 immer deutlich höher lag als der gesamttoskanische Durchschnitt, seither genauso deutlich niedriger liegt.

Auch der eigentlich als recht gut angekündigte Jahrgang 2006 machte da keine Ausnahme. Obwohl wir uns bei der Verkostung aus Zeitgründen auf Weine von Erzeugern beschränkten, die in der Vergangenheit zumindest (!) gelegentlich durch sehr gute Proben aufgefallen waren, mussten wir wieder jede Menge oxidierter, überalterter, ungenügender Weine verkosten, die auch nach Ansicht vieler anderer Kollegen nie die DOCG-Anerkennung hätten erlangen dürfen.

Das lokale Consorzio rühmt sich derweil in seinen offiziellen Verlautbarungen, dass im vergangenen Jahr soviel Brunello wie noch nie verkauft worden sei (+ 15 %), versteckt aber die Tatsache, dass dies nur auf Kosten eines gravierenden Preisverfalls möglich war, schamvoll so, dass man wirklich genau hinschauen muss, um die entsprechenden Zahlen zu finden. Die Tatsache , dass Italien generell mit seinen Durchschnitts-Exportpreisen (ca. 180 Euro) immer noch Welten hinter denen etwa Frankreichs (ca. 450 Euro) zurück liegt, deckt sich mit diesem Bild, und auch die Untersuchung, die der Hamburger Weinjournalist Mario Scheuermann über die Prestige-Herkünfte der Welt und ihre Spitzenpreise vorbereitet (demnächst im drinktank), bestätigt es. Da kommt die Toskana nämlich offenbar nur mit Mühe unter den ersten 10 oder 12 ein, deutlich nicht nur hinter Bordeaux, Champagne und Burgund, sondern auch hinter Rhône, Piemont, Australien und Spanien.

Die Gründe für diese Entwicklung, die nur unter größten Anstrengungen wieder umzukehren sein dürften, sind so schnell genannt, wie schwer zu reparieren: Mangelnde Produktkonzeption und -typisierung, fehlerhaftes Herkunfts- bzw. Klassifizierungssystem, fehlendes Imagebuilding, grausame PR und Werbung mit einer nicht mehr erträglichen Kakophonie der Stimmen u. v. m.

Deshalb hinterließen die diesjährigen Verkostungen in der Toskana auch insgesamt doch einen ziemlich schalen Geschmack im Mund. Grandiose Weine gab es, und das ist die erfreuliche Nachricht. Aber es gab auch viel zu viel Mediokrität. Unbestreitbar ist dabei wohl nur eines, und das ist wohl die schlechte Nachricht: Ihre Zukunft muss die Toskana erst noch entdecken!

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