Nach zwei Jahren, in denen ENO WorldWine nicht zu den Piemonteser Anteprima-Verkostungen eingeladen worden war - wir mussten uns die Muster nach Hamburg schicken lassen -, stand in diesem Mai eine neue Runde der Nebbiolo-Tastings in Alba an. Auf dem Verkostungstisch standen fast 500 Proben aus im Wesentlichen zwei, nicht ganz einfache Jahrgängen: 2008 beim Barolo und 2009 bei Barbaresco und Roero, Jahrgänge, die überdurchschnittlich viele überreife Aromen, wenig Finesse, wenig Typizität zeigten. Dennoch war das Gesamtbild nicht wirklich schlecht. Beim Barolo erzielten wir eine Durchschnittsbewertung, die noch über der der Jahre 2005 und 2006, aber auch deutlich unter der von 2004 und 2007 lag, beim Barbaresco war nur der 2007er deutlich besser als der 2009er. Außerdem konnten wir in einer Reihe von Vertikalproben auch ältere Jahrgänge noch einmal verkosten und bei unseren Zusatztastings in Hamburg konnten die eingeladenen Erzeuger auch Barbera-Weine anstellen.
Je mehr wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten Nebbiolo-Weine verkosteten, desto weniger erschloss sich uns übrigens der Sinn, von den größten Weinen des Piemonts noch Riserva-Qualitäten abzufüllen. Beim Barolo haben wir seit Beginn unserer Datenbankaufzeichnungen im Schnitt sogar deutlich schlechter bewertet, als die "normalen" Jahrgangsweine, beim Barbaresco schnitt die Riserva dagegen ein gutes Stück besser ab. Gerade beim Barolo sieht es oft so aus, als ließen die Erzeuger Weine mit übermäßig harten, trockenen, untrinkbaren Tanninen einfach ein wenig länger im Fass reifen, um etwas trinkreifere Weine abfüllen zu können. Für die Qualität der Weine ist das allerdings eine absolute Milchmädchenrechnung, denn die verbessert sich bekanntermaßen nicht durch bis ins Extrem velängertes Fasslager, sondern nur durch richtige Weinbergs- und Kellerarbeit. Dem Verbraucher, der für das "Riserva" auf dem Etikett ja meist deutlich mehr bezahlen soll, kann man vom Kauf dieser Qualitäten nur abraten.