"Grandola, vila morena, terra da fraternidade, o povo é quem mais ordena ...".* Irgendwie wollte mir das Lied der Nelkenrevolution des 25. April 1974 nicht mehr aus dem Kopf gehen, nachdem mir eine Winzerin beim Abendessen ihr Leid geklagt hatte: Seit die Revolution "alles kaputt gemacht" habe, kriege man in Portugal nicht mal mehr anständige Arbeitskräfte. Nach beendeter Verkostung von fast 250 Roten aus allen Teilen des Landes kam mir das Urteil der Winzerin dann noch merkwürdiger vor: Seltsam, wie diese ach so schlechten Arbeitskräfte so außergewöhnlich gute Weine schaffen konnten.
Es hatte allerdings lange gedauert, bis wir eine so umfassende Verkostung durchführen konnten. Anläufe dazu hatten wir in den letzten 15 Jahren viele unternommen, aber in der Regel waren unsere Anfragen - wie übrigens auch unsere Versuche, Infos für Bücher wie den Wein-Brockhaus zu bekommen - nicht einmal beantwortet, geschweige denn positiv beschieden worden. Erst der jüngst erfolgte Wechsel in der Direktion von ViniPortugal und der gleichzeitige Agenturwechsel in Deutschland öffneten uns die Türen ViniPortugals Tasting Room an Lissabons Praça do Comércio, wo uns an drei Tagen eine perfekt organisierte Probe erwartete: 133 Erzeuger hatten ihre besten Produkte angestellt, und von den Spitzenbetrieben, deren Weine wir bereits früher kennengelernt hatten, fehlten nur sieben - ein Resultat, das in unserer Verkostungshistorie seinesgleichen sucht.


Das Resultat unserer Arbeit war tatsächlich beeindruckend: Gleich vier Gewächse (drei aus dem Douro und ein Alentejano) schafften es in die Kategorie "Traumwein" und auch dahinter war die Qualitätsdichte beeindruckend. Im regionalen Durchschnitt führten Douro und Dão die Liste Kopf an Kopf an, dahinter folgten Alentejo, Lisboa und Tejo. Dabei zeigte vor allem der Jahrgang 2010 aus dem Douro eine beeindruckende, kompakte Stilistik mit viel dunklen Beeren - besonders markant: Brombeeren - im Duft, mit zimtiger Würze und Tanninen, die meist samtig und seidig, fast nie hart oder gar aggressiv wirkten. Der 2009er war nur selten so markant in den Aromen, zeigte viel Banane, gelegentlich auch eine Spur Reduktion, und auch die Tannine waren beim einen oder anderen Wein eine Spur aggressiver, teilweise sogar trocken, obwohl einige Gewächse dieses Jahrgangs überragende Qualität zeigten. Einige der absoluten Stars waren von 2008, ein Jahrgang, der im Schnitt etwas weniger gut dastand. Im Dão schienen beide Jahrgänge qualitativ dichter beieinander, aber es fehlten dafür die absoluten Spitzen des Douro.

Die Qualität ist es also nicht, die den portugiesischen Weinen fehlt - zumindest seit 10, 15 Jahren. Wenn sie dennoch zumindest hierzulande weiterhin ein Schattendasein fristen, dann liegt das wohl eher an der defizitären Kollektivvermarktung - einzelne Erzeuger wie Dirk Niepoort einmal ausgenommen - und daran, dass es das Land noch nicht geschafft hat, sich ein geschlossenes Markenimage für seine Stillweine zu zimmern, so wie es für die Likörweine von Porto und Madeira schon lange existiert. Die Tatsache, dass gerade bei den Roten das Sortenpanorama in fast allen Regionen ähnlich ausfällt (Basis: die beiden Tourigas), ließe es eigentlich sinnvoll erscheinen, hier erst einmal mehr auf die Marke "Portugal", als auf die noch ziemlich unbekannten Regionen und Appellationen zu setzen. Dies umso mehr, als die Namensgebung der Appellationen ihrerseits für den Außenstehenden verwirrend wirkt. Ist es wirklich sinnvoll, im Alentejo eine DOC Alentejo und einen Vinho Regional Alentejano auszuweisen? Und was soll die neue DOC-Bezeichnung für Tejo (ex-Ribatejo), DoTejo, während es gleichzeig eine VR Tejo gibt?
Unser Fazit: Mag sein, dass die Revolution der Nelken schon vor 40 Jahren stattfand, die des portugiesischen Weinbaus ist gerade mal 10 oder 15 Jahre alt, und es bleibt noch sehr, sehr viel zu tun.