Als ich in den 1980er Jahren anfing, für die Zeitungsbeilage und später eigenständige Zeitschrift „Gambero Rosso“ sowie den gleichnamigen Weinführer über italienische Weine zu schreiben, wunderte ich mich nicht selten über Dutzende, wenn nicht Hunderte „bester Freunde“, die innerhalb kürzester Zeit in mein Leben traten. Schon damals wurde ich allerdings den Verdacht nicht los, dass all diese tollen Freundschaften spätestens dann beendet sein könnten, sollte ich etwa eines Tages über Bier statt über Wein schreiben.
Nun, ich bin, soviel steht fest, nicht ins Brauereifach gewechselt, und eine ganze Reihe bekannter und renommierter Weingüter mit ihren großartigen Weinen – Braida, Prunotto, Parusso, Einaudi, Rocche Manzoni oder Marchesi Grésy allen voran – scheint die Arbeit von enos auch heute noch zu schätzen. Andere „allerbeste Freunde“ wiederum hielten es dagegen offenbar für verzichtbar, sich an unseren Verkostungen zu beteiligen, was die verschiedensten Gründe haben mag: Der Verdacht, dass vor allem Erzeuger mit teuren und überteuren Kultweinen der Meinung sind, so etwas nicht mehr nötig zu haben, wenn sie nicht gar schlicht den Vergleich mit der Konkurrenz als möglicherweise geschäftsschädigend scheuen, lässt sich allerdings nicht von der Hand weisen.
Umso erfreulicher war die Tatsache, dass unter den Einsendern der mehr als 100 Weine wie schon in der Vergangenheit Namen von Erzeugern auftauchten, deren Weine wir bis dato (fast) nicht gekannt hatten – diesmal war es mehr als nur eine Handvoll. Noch erfreulicher: Ihre Weine, vor allem die von Bera und Fortemasso, waren gut. Richtig gut, wie man beim Lesen unsere Verkostungsnotizen schnell feststellen wird.
Verkostet hatten wir Weine aus (auf der Basis von) Nebbiolo, vor allem der Jahrgänge 2019 (überwiegend Barolo) und 2020 (mehr Barbaresco, Roero und Co.), wobei auch einige ältere Vertreter angestellt worden waren. Dass es mit dem „Perno Cappella di Santo Stefano von Rocche Manzoni” ein Wein unter die seltenen „Traumweine“ schaffte, und mit dem „Bussia“ der Poderi Einaudi einer nur knapp dahinter lag, zeigte, dass das Piemont auch in Abwesenheit mancher der „großen Etiketten“ eine nach wie vor zu den Prestigeregionen des Weltweinbaus gehört.