Gut sechs Jahre lag unser letzter, recht kleiner Verkostungsbericht über die Weine der nordspanischen Navarra bereits zurück, und so akzeptierten wir gerne die Einladung des regionalen Weinexportverbands für eine frühherbstliche Rundreise zu einigen der wichtigsten Erzeugerbetrieben der Region und für eine große Gemeinschafsverkostung, die es erlaubten, einen Überblick über das aktuellen Qualitätsniveau und das Potenzial der Weine zu bekommen und uns ein gutes, wenngleich widersprüchliches Bild von der Situation zwischen Pamplona und dem Ebro zu machen.

Anlass für die Einladung, so darf man vermuten, war die Absatzentwicklung der Weine von Navarra auf dem deutschen Markt in den letzten Jahren. Seit 2006 sanken die Ausfuhren von einem zuvor recht stabilen Niveau um 38-39.000 hl in drei großen Schritten auf zuletzt nur noch 24.000 hl - ein Verlust von 40 %, der nicht nur den ohnehin aleatorischen Fass-, sondern vor allem den in der Regel stabileren Flaschenweinmarkt betraf.
Marketingstrategie zwischen den Stühlen und tolle Weine
Auf diese Entwicklung möchten die regionalen Behörden mit einer neuen Marketingstrategie antworten, die verstärkt das Käufersegment zwischen 25 und 45 Jahre ins Visier nimmt, die einen stärkeren Akzent als bisher auf die Weinvielfalt (entsprechend der geologischen und klimatischen Vielfalt) innerhalb der DO-Herkunftsbezeichnung legt, die das Image der einst markenbildenden Roséweine wiederbelebt, die mithilfe einer strengeren Weinkontrolle für bessere Qualitäten sorgt und die Weintypen stärker als bisher "internationalisiert" - wohl nicht zuletzt mithilfe der so genannten internationalen Rebsorten wie Cabernet, Merlot, Chardonnay etc.
Dazu wurden in den letzten Jahren die recht strengen Produktionsvorschriften der DO "liberalisiert", neue Weinkategorien eingeführt und ein doppelter Verkostungszyklus vor Vergabe des DO-Siegels eingeführt. Ob dies das größte Problem der Navarra-Weine, keine wirkliche Identität (einheitliches, für den Verbraucher wiedererkennbares Geschmacks- und Preisprofil) zu besitzen, lösen kann, darf man bezweifeln. Größere Vielfalt ist etwas Schönes, aber wenn diese Vielfalt nicht durch die Klammer eines starken Markenprofils zusammengehalten wird, mündet sie in größerem Chaos - nicht unbedingt förderlich für eine Absatzsteigerung und schon gar nicht förderlich für das, was die Navarra am nötigsten hat: Eine Revitalisierung des Wertes ihrer Weine.
So war es bei den Besuchen und Diskussionen auffällig, wenn auch im Lichte des Gesagten nicht verwunderlich, dass kaum einer der Ansprechpartner in der Lage war, so etwas wie ein Markenprofil "des Navarra" (rot, rosé oder weiß) zu definieren. Eher überraschend war, dass trotz des verkommenen Markenimages und des fast schon lächerlich niedrigen Preisniveaus, auf dem viele Weine angeboten werden, einige Erzeuger doch gute bis überragende Qualitäten vorweisen konnten - und das nicht nur bei den "Pago"-Weinen, die ohnehin eine Sonderstellung genießen (sollen). Für den Verbraucher ist das natürlich eine tolle Gelegenheit, Spitzenweine zu absoluten Schnäppchenpreisen - der Reserva de Familia von Marco Real ist um 11-12 EUR zu haben - zu erwerben. Die Probleme der Region wird diese Tatsache auf absehbare Zeit allerdings nicht lösen.