Mehr als drei Jahre sind vergangen, seit wir zuletzt einen einigermaßen vollständigen Überblick über Südafrikas Spitzenweine geben konnten, aber das Warten hat sich gelohnt. Gleich dreimal, in Berlin zunächst, dann in London, wohin die Südafrika-Weinwerbung dankenswerterweise eingeladen hatte, und schließlich in Hamburg, wohin wir uns eine kleine Anzahl der besten Weine hatten schicken lassen, konnten wir südafrikanische Gewächse verkosten und uns vom Leistungsniveau des Weinbaus am Kap überzeugen. Zwar hatten wir auch im Oktober 2008 ein sehr gutes Gesamtresultat vermelden können, aber der diesjährige Zyklus, im Rahmen dessen wir fast 300 Weine - viele davon gleich zwei oder drei Mal - degustierten, war dann doch über alle Maßen beeindruckend: Vier Traumweine, so viele, wie wir in manchen Jahren nicht in allen Verkostungen zusammen finden, und insgesamt 80 Weine mit eindeutigen fünf Sternen. Sie beweisen, dass Südafrikas Topgewächse in der Welt keine Konkurrenz mehr zu fürchten brauchen.

Besonders beeindruckend, weil dies lange ein Bereich war, in dem das Land noch großen Nachholbedarf hatte, waren dabei die Weißweine. Reinsortiger Chenin, weiße Cuvées und sogar Sauvignon blanc, dem wir in der Vergangenheit sehr kritisch gegenüber gestanden hatten, haben inzwischen eine Klasse erreicht, die der der Roten ebenbürtig ist. Beim Sauvignon blanc war der Fortschritt diesmal besonders markant. Mit ihrer festen Struktur und ihrer Mineralität haben südafrikanische Sauvignons in den letzten Jahren ihr einstiges Vorbild Neuseeland um Längen überrundet und stehen auf einem Niveau mit den besten französischen oder auch steirisch/friaulischen Vertretern der Sorte. Es wäre wirklich interesssant, einmal eine Vergleichsverkostung von Sauvignons der wichtigsten Erzeugernationen zu veranstalten, und ich bin nicht sicher, ob nicht Südafrika, wie jüngst beim Chenin blanc, auch hier die Nase vorne hätte.
Bei den Roten überzeugten von allem die Cuvées, mit oder ohne Pinotage (Cape Blend), und die reinsortigen Syrah-/Shiraz-Weine, aber das ist gegenüber unserem Kenntnisstand von vor drei Jahren nichts wirklich Neues. Auch hier kommen die Bordeaux-Verschnitte wie Anwilka oder Lady May inzwischen den besten Qualitäten des Bordeauxgebiets verdächtig nahe, und es wäre ein interessanter Versuch, nach dem Muster unserer Chenin-Verkostung einmal diesen Vergleich zu organisieren. Fragt sich nur, ob die Bordeaux-Erzeuger da mitspielen würden.